
Keramikmuseum
Am Rande der Altstadt von Staufen, unmittelbar neben dem Neumagen, steht ein ehemaliges Hafnerhaus, einziges noch verbliebenes Zeugnis der seit dem Mittelalter lebendigen Töpfertradition in der Stadt. Seit 1991 ist dieses Gebäude, in dem die Werkstatt der Hafnerfamilie Maier-Bregger mit Tongrube, Drehscheibe, Trockengestell und Holzfeueröfen vollständig erhalten ist, ein Keramikmuseum mit überregionaler Ausstrahlung. Das Badische Landesmuseum Karlsruhe zeigt hier jährlich eine Sonderausstellung mit Keramik aus allen Zeitepochen. Gleichzeitig bietet der Förderkreis des Museums jährlich sechs ausgesuchten zeitgenössischen KeramikerInnnen die Möglichkeit, ihre Arbeiten in Studio-Ausstellungen zu präsentieren.
Kontakt
Keramikmuseum Staufen
Wettelbrunner Straße 3
79219 Staufen i. Br.
Tel. 07633 6721
E-Mail: keramikmuseum-staufen@t-online.de
Webseite: www.landesmuseum.de/weitere-standorte/keramikmuseum-staufen
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 14–17 Uhr, Sonntag 12–17 Uhr (Winterpause vom 1. Dezember – 31. Januar)
Aktuelle Ausstellungen im Keramikmuseum
Die wilden 70er – Freiheit in Farbe und Form
Das siebte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war eine Zeit der Extreme und des allumfassenden Umbruchs. Die revoltierende 68er-Generation stellte das alte gesellschaftliche System infrage, was sich nicht nur in der rebellischen Haltung gegenüber Eltern, dem provozierenden Aussehen oder dem nonkonformistischen Verhalten äußerte, sondern auch in der radikalen Kritik an der bisherigen Kunst. All diese Phänomene wirkten sich auf Keramik aus, die durch experimentelle Glasuren und die Abkehr von überlieferten Gefäßformen gekennzeichnet war.
In dieser Zeit standen in Deutschland italienische Designer*innen hoch in Kurs, die weltweit als besonders innovativ galten. Zum Beispiel arbeiteten Cari Zalloni oder Ettore Sottsass für deutsche Keramikfirmen. Auch schwedische Designer*innen, wie Stig Lindberg oder Hertha Bengtson, waren in Deutschland gefragt.
Für die Kunden*innen, die nicht ganz mit dem avantgardistischen Design Schritt halten konnten, bot die keramische Industrie eine bürgerlichere bzw. rustikalere Variante an. Wir erinnern uns ja noch alle an die erdigen und bräunlichen Farbtöne, sowohl der Keramiken, als auch der gesamten Inneneinrichtungen. Bei der Wahl der Farben ging man in zwei verschiedene Richtungen: Auf der einen Seite gab es beige-braune Keramiken, auf der anderen Seite setzte man auf grelle, kräftige, gar „psychedelisch“ angehauchte Farbtöne. Die orange-rote Selenglasur gehört zum Beispiel zu den typischsten Phänomenen der Zeit.
Ein Rückblick auf die 1970er Jahre zeigt, dass insbesondere den überpointierten Glasurkreationen eine große künstlerische Bedeutung zukam. Die damals dominierende Abwendung von den überlieferten Normen des Handwerks und die Befreiungsbestrebungen von der Brauchbarkeit der Glasuren schufen für Studiokeramiker*innen ein großes Spielfeld für Experimente aller Art. Unter den Keramikern setzte ein regelrechter Wettlauf um neue Glasurschöpfungen ein. Dabei wurde das Schöne im Unvollkommenen angesehen: Unregelmäßig verlaufene Laufglasur, sogar kleine Glasurfehler und aufgekochte Blasen wurden nicht missachtet, sondern als die Verwirklichung einer spontanen künstlerischen Idee bejaht. Dazu gehörten auch solche Glasurarten wie Fat Lava oder Kraterglasur.
Die keramische Industrie ließ sich von den komplexen Glasuren der Studiokeramiker inspirieren und versuchte sie seriell herzustellen, was sich als eine technische Herausforderung herausstellte. Deswegen wurden spezielle Luxuslinien entwickelt, die sich trotz der aufwendigen Herstellung und der damit verbundenen hohen Preise ausgesprochen gut verkauften.
Ausstellung im Keramikmuseum Staufen, Wettelbrunner Str. 3, bis 30. November 2021.
Studioausstellungen 2022
Seit über 20 Jahren veranstaltet der Förderkreis Keramikmuseum Staufen e.V. Studioausstellungen mit zeitgenössischen Keramikerinnen und Keramikern aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Weitere Informationen findenSie unter www.keramikmuseum-staufen.de.
11.02. - 27.03.2022
MusterReich – Porzellangeschirr von Helmut Menzel
Die Vasen und Platten, Becher und Teekannen zeichnen sich durch ein Feuerwerk an Farben und Mustern aus. Schicht um Schicht werden Papierschablonen und Klebebänder aufgezogen, übermalt und wieder abgezogen, bis sich ein dichtes Nebeneinander und Übereinander von Mustern bildet. Im Kontrast dazu stehen die weißen Porzellane mit zarter, fast flüchtiger Zeichnung. „Kleine Freunde für den Alltag mit hohem Gebrauchswert“ nennt sie der Künstler und Keramiker (*1963) aus Berlin.
01.04. – 15.05.2022
Christine Duncombe-Thüring – FarbRäume
Die Arbeiten der an der FHS Wiesbaden ausgebildeten Keramikerin und Malerin (*1957) sind das Ergebnis intensiver Oberflächenbearbeitung. Dichte, farbintensive Kompositionen mit Reliefs und Zeichnung erstrecken sich über ihre runden oder flachen Gefäßkörper. Muster werden in den Ton gewalzt, Platten zerschnitten und neu zusammengesetzt, Porzellan- und Sinterengoben mit dem Pinsel oder Spachtel aufgetragen. Feine Zeichnungen oder Ritzungen verbinden die collagenartig zusammengesetzten Teile oder bilden neue Akzente.
20.05. - 03.07.2022
Aus dem Anagama – Keramik von Michel Cohen
Seit 2003 brennt der ehemalige Raku-Keramiker (*1958) in den Hautes-Alpes sein Porzellan und Steinzeug im eigenen Anagama und spürt den raffinierten Techniken des japanischen Holzofenbrandes nach. Seine schrundigen, gleichsam von der Natur gezeichneten Gefäße sind an Dramatik kaum zu überbieten, zeigen sie doch eine besondere Vielfalt und Dichte der Oberflächengestaltung in Verbindung mit dem natürlichen Ascheanflug. Die Gewalt des Feuers, die er entfesselte, erscheint wie eingebrannt in den Ton.
08.07. - 21.08.2022
Elisa Stützle-Siegsmund: Planet Erde
Mächtige, weit ausladende Kugelformen mit enger Öffnung und große Schalen bieten viel Fläche und Raum für Farben und Strukturen, die, seltsam fremd und doch vertraut, an Urlandschaften erinnern. Inspiriert von Moosen und Flechten, Wasser und Buschland, Wüsten und Vulkanen, lenkt die in den USA ausgebildete Keramikerin (*1962) aus Müllheim den Blick auf den Planeten Erde mit seiner unfassbaren Kraft und Schönheit. Die Natur in ihrer faszinierenden Vielfalt zwischen Ursprung und Veränderung wird in der Materialität ihrer Werke sinnlich erfahrbar.
08. - 10. Juli 2022
Aktionstage mit Vernissage, Mitmachaktion für Kinder und Kurzführungen zu den Ausstellungen
26.08. - 09.10.2022
GleichKlang – Porzellangeschirr von Susan Heise
Die an der Hochschule für Kunst und Design Halle Burg Giebichenstein ausgebildete Keramikerin (*1974) arbeitet seit 2007 in Leipzig in eigener Werkstatt. Mit hohem Anspruch an handwerklicher Vollkommenheit fertigt sie schlichtes, zeitlos schönes Porzellangeschirr von lebendiger Transparenz und feinem Klang. Ihre Einzelstücke und Kleinserien entstehen ausschließlich auf der Drehscheibe. Feingeschliffene, geriffelte Außenwände harmonieren mit glatten, zart seladonfarbenen Innenseiten. Europäische und asiatische Vorbilder verbinden sich.
14.10. - 27.11.2022
Nach den Regeln der Natur – Porzellan von Zsuzsa Füzesi
Die ungarische Keramikerin (*1953), Schülerin des berühmten Imre Schrammel in Budapest und schließlich selbst lehrend, pendelt seit 1993 zwischen Basel und Pécs. Beim Handaufbau in Wulsttechnik den Prinzipien des Wachstums in der Natur nachspürend, fand sie ihren Stil und schuf „Gebäude“ nach den mathematischen Regeln der Iteration (Wiederholung). Fasziniert von der Fraktalgeometrie, entstehen komplexe, organische und scheinbar frei gewachsene Formen gleichsam von selbst, seit 2012 vor allem in Porzellan und der Gefäßkeramik nicht fremd.
Keramikmuseum Staufen, Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 14–17 Uhr, Sonntag 12–17 Uhr.
Weitere Informationen unter: www.keramikmuseum-staufen.de.