Baden mit Belchenblick: 125 Jahre Freibad Staufen
Der Breisgau ist altes Badeland. Schon die Römer wussten die heißen Wasser von Badenweiler zu schätzen, spätere Generationen erfreuten sich an einem Bad in den warmen und heilkräftigen Quellen des Kuckucksbads bei Bollschweil, in Kirchhofen-Ambringen, in Sulzburg, in Heitersheim oder in Grunern. Seit uralten Zeiten gab es auch in Staufen ein Badehaus: es stand im Bereich der heutigen Metzgerei Winterhalter; durch „Baders Loch“, einem Durchlass durch die Stadtmauer in der Adlergasse, gelangte man dorthin. Im 19. Jahrhundert bot der Mechaniker Camill Buisson in seinem Wohnhaus am Messerschmiedfelsen Bäder an. Dazu hatte er in den Gewerbekanal zwei Badekabinen eingesetzt, in denen man sich blickgeschützt im kühlen Nass erfrischte. Der Arzt Dr. Wilhelm Greder betrieb sogar den Ausbau Staufens zu einem Kurbad. In dem „Annabad“ an der Krozinger Straße konnte man seit 1893 unter seiner Aufsicht baden und Kneipp-Anwendungen erhalten. Schon war ein erster Werbeprospekt gedruckt und ein Kurverein gegründet, da unterband Greders früher Tod alle weiteren Bestrebungen zum Aufbau eines Kurbetriebs. Auch kurzzeitig aufkeimende Hoffnungen, das in Krozingen 1911 erbohrte Thermalwasser nach Staufen leiten zu können, zerschlugen sich schnell.
Schwimmen lernen
Dienten diese alten Bäder der Hygiene oder der Heilung von Krankheiten, kam im 19. Jahrhundert mit dem Schwimmen als Sport ein neuer Gedanke auf. Statt der Badewannen und Badehäuser benötigte man nunmehr größere Becken mit Schwimmbahnen. Erste Freibäder entstanden häufig auf Initiative von Privatleuten. 1841 baute Johann Nepomuk Stadler in Freiburg am Hölderlebach das Lorettobad. In Staufen stauten Kinder wohl seit jeher gelegentlich den Neumagen auf und schufen so kleine Bassins, in denen man planschen und einige Schwimmzüge machen konnte. Diese Badegelegenheiten waren aber natürlich immer ungenügend. Bereits 1857 verlangte der Staufener Amtsarzt Dr. Martin im Rahmen der Gesundheitsfürsorge von der Stadt die Einrichtung einer Schwimmanstalt, was aber in Staufen zunächst auf wenig Gegenliebe stieß. Letzteres sollte sich allerdings bald ändern. So forderte 1883 die Lokalzeitung „Staufener Wochenblatt“ den Bau eines Schwimmbeckens, das im Winter zugleich als Schlittschuhbahn dienen sollte. Rhetorisch fragte das Blatt: „In der That, wer wollte auch den wohlthätigen Einfluß des Badens auf den Appetit, auf den Schlaf und das allgemeine Wohlbefinden bestreiten? Wer möchte den Hochgenuß eines erfrischenden Bades am heißen Sommertage vermissen? Wer wünschte nicht, daß sich die Jugend durch Schwimmen kräftigt und erfrischt?“ Und den Steuerzahlern wurde zugesichert: „Eine Unrentabilität der Anstalt wäre kaum zu erwarten.“ Darüber können nachfolgende Generationen allerdings nur müde lächeln.
Der Bau des Freibads
Trotz dieses Vorstoßes sollte es noch zehn Jahre dauern, bis der Wunsch der Staufener in Erfüllung ging, wobei der Stadt ein glücklicher Umstand zur Hilfe kam. 1888 schüttete die Sparkasse erstmals Überschüsse an jene Gemeinden aus, die für die Bankgeschäfte Bürgschaft leisteten. Staufen beschloss, mit diesen Geldern einen Baufonds für ein Schwimmbad einzurichten, der vier Jahre später so weit angewachsen war, dass Bürgermeister Albert Hugard den Bau des Bads in Angriff nahm. Die Planung des Schwimmbads übernahm ein Freiburger Tiefbauingenieur; für die Hochbauten, also für das Kassengebäude und die Umkleiden, zeichnete der Freiburger Architekt Wilhelm Meeß verantwortlich, der kurz zuvor den Umbau des Rathauses ausgeführt hatte. Noch im Sommer 1892 begannen die Bauarbeiten, die pünktlich zur Badesaison 1893 abgeschlossen werden konnten. Am 20. Mai 1893 wurde das Bad eröffnet. Die gesamte Anlage galt als mustergültig; die Lage mit dem Blick auf das Belchenmassiv als außerordentlich reizvoll.
Erweiterung zum Sportbad
Mit dem weiteren Aufschwung des Schwimmsports erschien jedoch auch das Schwimmbecken als zunehmend ungenügend. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde überall auf einen Ausbau der Schwimm- und Sportanstalten gedrängt. Hatten die Nationalsozialisten dabei anfänglich die Ziele der Lebensreform aufgenommen, die mit viel Bewegung und den erwähnten „Licht- und Luftbädern“ den Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessern wollte, stand später die Ertüchtigung der Jugend für die verbrecherischen militärischen Ziele des Regimes auf dem Programm. Auch in Staufen betrieb man den Umbau zu einem Sportbad, den sich Bürgermeister Dr. Hans Erley als persönliches Anliegen zu eigen machte. Ohne große Vorüberlegungen ließ er im Mai 1935 den Gemeinderat den Ausbau des Bads beschließen. Sofort wurde der Staufener Architekt Joseph Schlenker mit der Planung beauftragt und man begann fieberhaft mit den Arbeiten, konnte jedoch im Sommer 1935 die Arbeiten nicht mehr abschließen, sondern erst zur Saison 1936, die abschließenden Arbeiten sogar erst zur Saison 1937. Das alte Schwimmbassin war nun zu einem Becken von 50 m Länge ausgebaut worden, in dem Wettkämpfe stattfinden konnten. Drei Sprungtürme sowie Startblöcke verdeutlichten die Ausrichtung auf den Schwimmsport. Mit der Pacht der anstoßenden Wiese der Familie Bob erhielt das Bad zudem die seit langem gewünschte Liegewiese; außerdem wurde ein kleines Stück hangabwärts ein Kinderplanschbecken angelegt. Beides zeigte, dass auch längere Aufenthalte von Familien im Bad erwünscht waren. Die alte Geschlechtertrennung beim Baden entfiel, das Staufener Bad führte nun die Bezeichnung eines „Strandbads“, womit das gemeinschaftliche Schwimmen von Damen und Herren gemeint war.
Glaubte man bei dem hemdsärmeligen ersten Beschluss zum Badausbau, den Ausbau nur über Verkauf von Holz aus den Stadtwäldern finanzieren zu können, musste die Stadt aufgrund der stark steigenden Baukosten (rund 62.000 Reichsmark) schließlich eine Schuld aufnehmen, über die in der Bürgerschaft ebenso wie über die freihändige Auftragsvergabe gemurrt wurde. Architekt Josef Schlenker begründete die Kostensteigerungen jedoch vor allem damit, dass bei dem Bau zahlreiche Arbeitslose als ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt worden waren, die mehr Arbeitszeit benötigt hätten.
Guter Besuch
Nach wie vor war der Besuch des Bads gut. Durchschnittlich besuchten in den zwei Jahrzehnten von 1936–1956 rund 10.000 Besucher jährlich das Bad mit witterungsbedingten Extremwerten in den Jahren 1948 mit nur 5126 Besuchern und 1952 mit 25.351 Besuchern. In der Folgezeit steigerte sich der Badbesuch, was wohl vor allem dem Campingplatz der Familie Wiesler zuzuschreiben war. So zählte man von der Mitte der 1960er Jahre bis zur Jahrtausendwende durchschnittlich jährlich 40.000 Besucher mit selbstverständlich nach wie vor starken Schwankungen je nach Wetterlage bis hin zum heißen Sommer von 2003 mit einer absoluten Rekordzahl von über 90.000 Besuchern. Zum guten Zuspruch für das Bad trug der Idealismus des Personals bei, das mit hohem persönlichen Einsatz einen reibungslosen Betrieb gewährleistete. Wegen ihrer langjährigen Tätigkeit für die Stadt sind hier besonders die Bademeister Eugen Schellinger und Walter Wenzl sowie die Kassiererin Klara Herrmann hervorzuheben.
Seit 1946 bestand die Möglichkeit, im Bad Getränke, Eis und Süßigkeiten zu erwerben. Da dagegen anfänglich der Wirt des Gasthauses „Felsenkeller“ Einspruch erhob, fand man zu der salomonischen Lösung, die Getränke weiterhin im Freibad zu verkaufen, jedoch über den Gastwirt zu beziehen. Das erwies sich aber wohl für beide Seiten als wenig praktisch. 1962 errichtete man schließlich einen Kiosk, der verpachtet wurde.
... aber verschmutztes Badewasser
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich die Entnahme des Badewassers aus dem Gewerbekanal zunehmend als bedenklich heraus. Erste Abhilfe sollte eine Fußwaschrinne bringen, die seit 1953 das Badebecken von der Liegewiese abtrennte.[ Damit konnte das Eintragen von Sand und Erde in das Badewasser verringert werden. Trotzdem war das Wasser verunreinigt, was ein erhöhtes Algenwachstum zur Folge hatte. In den 1950er Jahren scheint das Badewasser an manchen Tagen so stark getrübt gewesen sein, dass man den Beckenboden nicht mehr sah. Schwerwiegender als die Verunreinigung des Wassers im Bad selbst war aber die zunehmende Wasserverschmutzung des gesamten Neumagens. Galt die Wasserqualität 1961 „als gerade noch tragbar“, war sie zwei Jahre später gesundheitlich unverantwortbar geworden. Grund war die Verunreinigung mit Fäkalien im Oberlauf des Neumagens. Angesichts hoher Kosten schreckte die Stadt jedoch vor dem Einbau einer Wasseraufbereitungsanlage oder der Erbohrung eines Tiefbrunnens zurück. Auch war es immer der Stolz der Stadt gewesen, dass man das Wasser des „Gebirgsbachs“ ungechlort verwandte. 1965 jedoch setzte das Landratsamt der Stadt die Pistole auf die Brust und drohte mit einer Schließung des Freibads, wie sie zuvor aus gleichem Grund in Bad Krozingen durchgeführt worden war. Die Schließung konnte in der Saison 1966 nur durch den kurzfristigen Einsatz einer Chlorierungsanlage abgewendet werden. Da zudem das Becken undicht geworden war, gab es in der Folgezeit Überlegungen, zusammen mit Bad Krozingen ein neues Freibad zu bauen. Den von Bad Krozingen schon sehr weit vorangetriebenen Planungen eines „Sport- und Erholungszentrums Südlicher Breisgau“, das am Neumagen auf einem Gelände zwischen den beiden Gemeinden entstehen sollte, erteilte Staufen schließlich 1969 eine Absage. Der Gemeinderat sah sich nicht in der Lage, und darin wurde er von allen Teilen der Bürgerschaft unterstützt, auf das altgewohnte Bad am Höllenberg zu verzichten.
Sanierung 1970
Die daraufhin unausweichbar gewordene Sanierung des Freibads umfasste Maßnahmen mit einem Kostenaufwand von rund 300.000 DM, in deren Zentrum der Einbau einer Filter- und Umwälzanlage sowie die Abdichtung des Beckens standen. Da das Becken nach neueren Vorschriften nicht tief genug war, mussten die Sprungtürme und -blöcke abgebaut werden. Die Arbeiten schritten unter Leitung des Breisacher Architekten Roland Müller rasch voran, so dass noch in der Saison 1970, am 18. Juli 1970, das sanierte Bad der Öffentlichkeit wieder übergeben werden konnte.
Die Sanierung erwies sich als zweckgerichtet und haltbar. Über 20 Jahre später, 1993, konnte das 100-jährige Jubiläum des Bads in der unveränderten Anlage gefeiert werden. Sorgen bereitete jedoch der anhaltende Zuschussbedarf des Badebetriebs. Hatte Bürgermeister Albert Hugard im ersten Betriebsjahr noch zufrieden von einem Betriebsüberschuss berichten können, musste in den folgenden Jahrzehnten hier wie in allen Freibädern Deutschlands stets ein Abmangel festgestellt werden, da aus sozialen Gründen keine kostendeckenden Eintrittspreise genommen wurden. Um die Jahrtausendwende lag der Zuschussbedarf bei jährlich durchschnittlich 140.000 DM. Mit dieser hohen Summe stand das Bad in der allgemeinen kommunalen Finanzkrise Mitte der 1990er Jahre grundsätzlich auf dem Prüfstand. Zusätzlich erkannte man die Notwendigkeit einer neuerlichen Sanierung des Bads, nachdem die Technik von 1970 in die Jahre gekommen war.
Naturbad oder neuerliche Sanierung?
Um die Sanierung des Bads möglichst kostengünstig zu halten und auch den weiteren Zuschussbedarf zu verkleinern, kam 2000 der Gedanke auf, das Freibad in ein Naturbad zu verwandeln. Ein Naturbad besteht aus zwei Wasserkammern, dem Schwimmteich sowie einem zweiten Teich für die rein biologische Klärung und Regeneration des Badewassers. Sowohl die Einrichtung als auch der laufende Unterhalt eines Naturbads gestaltet sich gegenüber einem herkömmlichen Schwimmbad günstiger. Mit einer Diplomarbeit wurde im Jahr 2002 eine konkrete Machbarkeitsstudie für Staufen erstellt. Demgegenüber stand eine Neubauplanung, die die Stadtverwaltung eingeholt hatte, und die von Kosten in Höhe von rund 8 Millionen DM (rund 4 Mio. €) ausging – ein kaum realistischer Vorschlag. In der Folgezeit entspann sich eine sehr intensive Diskussion in der Bürgerschaft, der Planungen mehrerer Firmen für Naturbäder oder die Sanierung des Schwimmbads zugrunde lagen. Mit einem denkwürdig knappen Beschluss des Gemeinderats wurde schließlich am 31. März 2004 das Naturbadkonzept abgelehnt. Der Antrag der Stadtverwaltung auf die Umwandlung zu einem Naturbad führte nämlich im Gemeinderat zu einem Patt von 11:11 Stimmen, womit er nach der Gemeindeordnung als abgelehnt galt.