Skulpturen in Staufen

Ein Überblick

Staufen verfügt über eine ganze Reihe eindrucksvoller Skulpturen, die öffentlich zugänglich sind.

Kurt Lehmann (1905-2000)

Kurt Lehmann zählt zu den herausragenden deutschen Bildhauern der Nachkriegszeit. Seine Skulpturen prägen heute vor allem zwei Städte, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Hannover und Staufen. In Hannover war Lehmann von 1949–1970 als Professor an der Architekturabteilung der Technischen Hochschule tätig. Der mit mehreren angesehenen Preisen ausgezeichnete Künstler erhielt in dieser Zeit zahlreiche Aufträge zur künstlerischen Gestaltung öffentlicher Bauten und Plätze. Nach seiner Emeritierung kam Lehmann 1970 nach Staufen, wo der „Bacchus“ das reiche Spätwerk einleitete. Die beiden letzten Lebensjahre verbrachte Lehmann wieder in Hannover.

Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt Lehmann an der Staatlichen Kunstakademie in Kassel bei Alfred Vocke. Wichtiger noch war wie für eine ganze Generation deutscher Bildhauer der Einfluss Aristide Maillols und Wilhelm Lehmbrucks. Zahlreiche Studienreisen in der Vor- und Nachkriegszeit führten Lehmann zu einer Kunst, die sich an den klassisch-antiken Vorbildern der Menschendarstellung orientierte. So atmen seine Skulpturen den Geist eines tiefen, häufig humorvollen Humanismus, der sich bis heute dem Betrachter unmittelbar erschließt.

Weiblicher Halbakt, 1926

Der „weibliche Halbakt“ gehört zu Lehmanns ersten Werken. Diese Skulptur ist nicht nur das Spiel von Linien, Wölbungen und Vertiefungen, sondern überzeugt auch durch den nach innen gekehrten, zart beseelten Blick. Ein harmonisches Menschenbild! Kurt Lehmann lebte und arbeitete von 1970 bis 1998 in dem Haus, auf dessen Grundstück die Skulptur nun steht. Daran erinnert auch der rechts vom Grundstück beginnende „Kurt-Lehmann-Weg“.

Junge mit Taube, 1953

Der unbekleidete „Junge mit Taube“, wurde von Lehmann in einer kleinen Fassung (Bronze, 1953, H: 25 cm) und in einer nur unwesentlich veränderten großen Fassung hergestellt. In der Figur sind tektonischer Aufbau und Naturwahrheit zu einer Einheit verschmolzen, die die Nähe der klassischen Antike spüren lässt. Der erste Entwurf der Figur, von deren vier Güssen einer in einem Innenhof von Hannovers Tellkampf-Schule seinen Platz gefunden hat, geht ins Jahr 1936 zurück.

Hirtenjunge, 1954

Wie ein flacher Pfeiler strebt der Hirtenjunge, nur mit einem langen, um die Hüfte geschlungenen Tuch bekleidet, in die Höhe. Die Figur fand auf der III. Biennale in Sao Paulo 1955 allgemeine Anerkennung und kam in die engste Wahl für den Großen internationalen Preis der Plastik. Der überlebensgroße, stehende „Hirtenjunge“ ist 1954 entstanden, geht aber auf eine etwa zehn Jahre ältere kleinformatige Formulierung des Themas zurück. Die Modellierung der Details erfolgt nur in zartem Relief, eine gewisse spröde Kantigkeit macht den Reiz dieser Plastik aus.

Klage, 1966

Die Skulptur mit dem Titel „Klage“ gibt, abermals auf stark vereinfachte Weise, einen blockartig hingekauerten Jüngling wieder, der das Gesicht in den übereinander geschlungenen Armen verbirgt. Schon in Kassel und während der ersten Zeit in Hannover hatte Kurt Lehmann das Thema Klage wiederholt bedrängt. Die Gestalt des niedergebrochenen Jünglings war für ihn zum Inbegriff der Trauer geworden.

Femme debout, 1972

Lehmanns Liebe gilt nach der Übersiedlung nach Staufen im Jahr 1970 vorzugsweise den runden weiblichen Formen, in ihnen lebt die Darstellung von der Urmutter Erde, dem Quell aller Fruchtbarkeit, weiter. Mit seiner „Femme debout“, der stehenden Frau, stellt er dieses Grundmotiv in einer in der bildenden Kunst häufig verwendeten Form dar, gibt ihr aber durch ihre eigentümliche Haltung zugleich einen sehr besonderen Gestus.

Bacchus, 1975/76

Die Übersiedlung nach Staufen 1970 bedeutet den Beginn eines Spätwerks aus der Fülle des Lebens. Die größere Nähe zur Natur, der tägliche Anblick einer Landschaft mit Weinbergen wecken ein dionysisches Lebensgefühl. Es strömt hinein in Bildwerke von erdhafter Kraft. Als erstes in den Trauben schmatzenden Bacchus. Der ist ein Willkommensgruß an die neue Heimat; ein Zusammenklang von Natur und Kunst, wie er schöner und anmutiger kaum zu denken ist. Die Figur wurde nach einer kleineren ersten Fassung 1975/1976 für den Freiburger Seepark und 1997 für Staufen ausgeführt.

Nereide, 1976/79

Die Bronzefigur „Nereide“ stellt eine der Meeresnymphen aus dem Gefolge des Poseidon und der Amphitrite dar. Wie die antike Sage überliefert, erheitern diese mythischen Wesen die Seeleute durch Spiel und Tanz und helfen ihnen in Bedrängnis. Lehmann hat in seiner „Nereide“ die fließende Bewegung des Tanzes festgehalten, die dem gleichmäßigen Auf und Ab der Wellen entspricht; der Körper der Sagengestalt besitzt zugleich etwas Pflanzenhaftes, erinnert an die Formen mancher Meeresalgen. Diese Skulptur ist ebenfalls im Park der Medizinischen Hochschule Hannover zu finden.

Ludwig Weber (1922-2013)

Stiller wirkt das in Staufen nicht minder präsente Werk Ludwig Webers. Der seit 1957 als Bildhauer in Staufen tätige Weber schuf mit seinen Skulpturen auf dem Friedhof, dem Schladererplatz und dem Bonnevilleplatz Werke mit einer zeitlosen Formensprache.

Ludwig Weber erhielt seine erste künstlerische Ausbildung bei Walter Schelenz an der Kunsthandwerkschule Bonndorf, die er an der Akademie der Schönen Künste von Brera in Mailand bei Marino Marini fortsetzte. Bewusst beziehen Webers durchgängig abstrakte Bildwerke das Umfeld des Kunstwerks mit ein. Häufig symmetrisch gestaltete Durchbrüche in den Skulpturen lassen für den Betrachter den Stein mit seinem natürlichen Umfeld verschmelzen. Zugleich legt sich der Stein schützend um die offenen Zentren. So wirken Webers stets titellose Werke zurückhaltend, dabei aber kraftvoll und harmonisch. Weber selbst sprach von Versöhnung und Nächstenliebe als zentralen Motiven seiner Kunst.

Brunnen Schladererplatz, 1970

Der große Brunnen auf dem Schladererplatz wurde anlässlich des 1200-jährigen Jubiläums der Ersterwähnung von Staufen errichtet. In der rund drei Tonnen schweren, großen Schale verharrt das vom Stein am Rand gehaltene Brunnenwasser ruhig. In der Brunnenmitte ist es dagegen Sieger: aus einem vom Wasser aufgebrochenen Würfel strömt es in die Schale. Wasser und Stein, das Fließende und das Beharrende halten sich die Waage.
Weitere Brunnenanlagen Webers befinden sich auf den Friedhöfen Staufen und Grunern.

Feldkreuz am Schlossberg (sogenanntes "Freudigkreuz"), 1975

Das Kreuz am Schlossberg ersetzte ein altes Kreuz, das zum Gedenken an zwei Brüder errichtet worden war. Im Streit um das Erbe hatte einer den anderen mit der Rebhacke getötet. Webers Kreuz ist Mahnung an den Tod des Erschlagenen, aber das Kreuz wird auch von der dahinter stehenden, höheren Säule gehalten und tröstend umschlungen. So wird das Kreuz zugleich zum Symbol für Brüderlichkeit und Nächstenliebe.

Ehrenmal für die Opfer der Weltkriege, 1976

Das am Hauptweg zur Aussegnungshalle stehende monumentale Ehrenmal greift das christliche Symbol des Kreuzes gleich mehrfach auf, vom äußeren Umriss bis hin zum kreuzförmigen Durchbruch in der Steinmitte. Besonders eindrucksvoll wirkt der Durchbruch an einigen Tagen im Frühjahr und im Herbst, wenn die Sonne unmittelbar durch das Kreuz scheint. Dabei meint das Kreuz nicht allein den Tod, sondern den christlichen Glauben schlechthin. Es ist das Kreuz, das den schweren Stein aus Schwarzwaldgranit öffnet und dem Betrachter weitere Perspektiven erlaubt.

Kreuz in der Aussegnungshalle, 1976

Das aus Tombak gearbeitete Kreuz zeigt mit Kreisen und Strahlen sowohl Konzentration auf die Mitte der Skulptur als auch die von dieser Mitte ausgehende Strahlkraft. Dabei bleibt die Mitte des Kreuzes leer: was im Zentrum des christlichen Glaubens steht, bleibt ungesagt. Das Kreuz ist der Tod, aber zugleich auch die im Unbestimmten liegende Verheißung des ewigen Lebens. Mit wenigen geometrischen Elementen gelingt Weber hier eine würdige Ausstattung der städtischen Aussegnungshalle.

Stele auf dem Bonneville-Platz, 2013

Weber übergab die Skulptur 2013 der Stadt Staufen für die Neugestaltung des der französischen Partnerstadt Bonneville gewidmeten Platzes. Ein in zwei Teile gespaltener Stein bewahrt in seiner Mitte eine mit wenigen Kerben hervorgehobene Stele. Wie Wächter sind die beiden äußeren Steine voneinander getrennt, neigen sich jedoch kaum sichtbar einander zu und hüten die Stele in ihrer Mitte wie die beiden Städte die Städtepartnerschaft und das kostbare Geschenk der deutsch-französischen Freundschaft hüten sollen.

Norbert Bühler (geb. 1966)

Der gelernte Schlosser Norbert Bühler lebt und arbeitet in Staufen, wo er am Schlossberg ein Atelier betreibt. Die Skulptur „Das Paar“ entstand 1994 anlässlich des Abschlusses der Städtepartnerschaft Staufens mit Kazimierz Dolny in Polen. Die Idee zu der Skulptur kam dem Künstler nach dem Staufener Johannisfeuer, als er aus der kalten Asche verformte Nägel zog. Bühlers humorvolle und froh stimmende Werke greifen häufig Ideen auf, die er aus der Arbeit mit altem Metall gewinnt.

Astrid Hohorst (geb. 1961)

Astrid Hohorst hat nach einer Buchdruckerlehre an der Kunstakademie Karlsruhe studiert und war Meisterschülerin von Stephan Balkenhol. Seit 2004 arbeitet sie in einem Ateilier im E-Werk Freiburg. Die in der Kirchstraße ausgestellte Arbeit ist aus Epoxydharz gegossen und zusammen mit dem Stahlsockel etwa 1,6 Meter hoch. Die an ein Tier erinnernde Form gleitet ruhig durch die Kirchstraße.
 

Franz Gutmann (geb. 1928)

Franz Gutmann, der bekannteste Künstler unseres Raums, ist in Staufen mit einer seiner Brunnenskulpturen vertreten. Der 1964 für das Zollamt in Breisach geschaffene Brunnen kam 1995 vor das Wettelbrunner Bürgerhaus. Ein Brunnentrog aus Schwarzwälder Granit erinnert zunächst an Dorfbrunnen, doch ist die übliche Brunnensäule verkürzt. Das Wasser kommt nicht aus der Säule, sondern aus einer gesonderten, schlangenartigen Zuleitung, die mit einem markanten Viertelbogen das Rechteck des Trogs ergänzt. Das kräftig aus dem Rohr herauskommende Wasser nimmt im Herabfallen den Viertelbogen seinerseits auf. Auf der Brunnensäule steht das Wort "Wasser" in mehreren europäischen Sprachen.
Für die nahe Zukunft ist die Aufstellung von Gutmanns "Großer Windsbraut" von 1979 an der Belchenhalle in Staufen geplant.

Franz-Gerhard Müller (1926-2005)

Der aus Eichwalde bei Berlin stammende Steinbildhauer Franz-Gerhard Müller zog in den 1960er Jahren nach Staufen, wo er eine Bildhauerwerkstatt in der Wettelbrunner Straße übernahm. Ein Teil seines bildhauerischen Nachlasses kam an die Stadt Staufen, darunter die auf dem Kirchplatz stehende Skulptur „Durchblick“. Müller schuf aus dem roten Sandstein eine ruhig fließende Form, die sich schützend um den eiförmigen „Durchblick“ legt.

Marco Ohnesorge (geb. 1960)

Der Steinbildhauer Marco Ohnesorge lebt und arbeitet in Staufen. Die zweiteilige Arbeit „Skulpturenweg“ am Bahnhof besteht aus einer hohen Holzsäule, auf der in Piktogrammen die Geschichte des Staufener Skulpturenwegs 1996/97 dargestellt ist, sowie einem Granitfindling mit archaisch-astronomischen Symbolen. Wie Wegmarken begrüßt die Skulptur die am Bahnhof Ankommenden und führt in die künstlerische Atmosphäre der Stadt ein.

Marco Schuler (geb. 1972) "Orbi"

Mit dem 2012 für den Belchen geschaffenen monumentalen „Orbi“ des im Markgräflerland lebenden Bildhauers Marco Schuler wird eine gut 5 Meter hohe Skulptur der Öffentlichkeit erneut zugänglich gemacht. Das turmähnliche Objekt, gefertigt aus 30 Bänken des Papstbesuchs 2011 in Freiburg, erinnert an archaische Idole. Vier Augenhöhlen, die den Weltkreis in den Blick nehmen (lateinisch orbis – der Weltkreis), verleihen ihm menschliche Ausdruckskraft und machen es zu einem freundlichen Riesen.

"Orbi" ist umfänglich dokumentiert, vgl. http://www.marcoschuler.net/orbi/orbi.html.

Das zugehörige Buch ist 2013 erschienen: Marco Schuler: Orbi: Sculpture, Painting, Video, Verlag Christoph Merian 2013.

Video von der Eröffnung 2019 in Staufen durch Vernissage TV

Texte: Die Beschreibungen der Skulpturen von Kurt Lehmann sind entnommen aus Rudolf Lange: „Kurt Lehmann – Ein Bildhauerleben“, Hannover 2005; übrige Texte: Jörg Martin, Stadt Staufen.