60 Jahre Städtepartnerschaft Bonneville-Staufen

Die Geschichte unserer Städtepartnerschaft

zusammengetragen und niedergeschrieben von Werner Brinkmann

Logo 60 Jahre Elysée-Vertrag

Am 22. Januar 1963 unterzeichnete im Pariser Élysée-Palast der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Das seitdem als Élysée-Vertrag in die Geschichte eingegangene Abkommen hat die beiden Nachbarländer nach langer Erbfeindschaft immer mehr zusammengeführt. In dem Freundschaftsvertrag verpflichten sich die beiden Regierungen zur Zusammenarbeit in allen wesentlichen Fragen, unter anderem der Jugendpolitik. Insbesondere die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes im Jahre 1963 trug maßgeblich zum intensiven Jugendaustausch beider Völker bei.

Wappen der Städtefreundschaft Bonneville-Staufen

Wie kam es zur Gründung der Partnerschaft zwischen Bonneville und Staufen?

Im 16. Und 17. Jahrhundert erfolgte in Süddeutschland eine größere Zuwanderung von Menschen aus Savoyen; aber nicht aus religiösen Gründen, wie es bei den Hugenotten der Fall war. Vielmehr waren die Lebensbedingungen in ihrer Heimat sehr hart. So verließen unternehmenslustige und wagemutige Männer zeitweilig oder auf Dauer ihre Heimat am Genfer See, dem heutigen französischen Département Haute-Savoie, Savoie und der italienischen Region Aosta-Tal, um in der Fremde als Händler ein Auskommen zu finden.

So kamen auch Zuwanderer aus Savoyen nach Staufen. Sie trieben Handel und ließen sich später hier ganz nieder. Heute leben noch einige Nachfahren in Staufen. Einer dieser Händler war Claudius Hugard aus der Nähe von Bonneville, Scionzier/Nancy sur Cluses. Er brachte den nachstehenden Heimatbrief mit, der heute noch im Original in Staufen liegt:

(Übersetzung) Wir unterzeichnende Consule und die Kasell-Bewohner des Pfarrortes Scionzier bei Faucigni in Savoyen tun all jenen, welche vorliegende Schrift lesen werden, kund und versichern an Eides statt, dass der ehrenwerte Claudius, der Sohn des hochzuachtenden Johannes Hugard und seiner Ehefrau Andrea Bastard, aus legitimer Ehe entstammt und von ehrenhaften Eltern zeugt worden ist, dass ein Mann ist von guten Sitten und dass er und seine Vorfahren in unserem Ort immer den guten Ruf genossen haben, dass er katholisch gelebt und niemals wegen eines Vergehens bestraft oder wegen einer Gewalttat vor Gericht geführt oder angeklagt worden ist, dass Claudius Hugard in diesem seinem Vaterland nicht durch die Fesseln der Ehe gebunden ist und überdies sich im freiesten Zustande befindet und frei ist von jeglicher ähnlichen Bande und dass gegen ihn keinerlei beschuldigende Zeugenaussage vorliegen. Deshalb fordern wir von jedem, bei dem er wohnet oder wohnen wird:

Er soll ihn bei seinem Kommen oder Weggehen oder bei seinem Verweilen an einem Orte durchaus kein Hindernis bereiten, man solle ihn empfangen als christlichen Bruder, wo immer sich Gelegenheit bietet, ihm damit Dienste zu leisten. Um diesen Leuten Sicherheit zu geben, haben wir diese Schrift abgefasst und unterschrieben und beschlossen, dass sie mit unserem Siegel beurkundet. Gegeben zu Scionier am siebten des Monats August im Jahre 1720.

Unterschriften

Wir die Richter der Stadt Cluses, Hauptstadt der Provinz Faucigny in Savoyen, bezeugen durch unseren Eid, dass der oben erwähnte, ehrenwerte Claudius Hugard der Sohn des verstorbenen Johannes Hugard ist, dass er alter Bürger unserer Stadt ist, in dessen Auftrag wir ihm diese Bescheinigung ausstellen und die wir durch unseren Stadtschreiber ausfertigen und durch unser Siegel beglaubigen.

Ausgeführt am achten August anno 1720

Die Bürgermeister Fallion und Ulmann unterzeichnen die Partnerschaftsurkunde

Er kam 1720 nach Staufen und eröffnete ein Handelsgeschäft. 1738 errichtete Hugard eine Trotte, die heute noch funktionsfähig ist und im Hof des Weinguts Ulmann in der Hauptstraße besichtigt werden kann. Ein später Nachfahre von Claudius Hugard war Abert Hugard, 1889 bis 1923 Bürgermeister von Staufen. Sein Enkel, Dr. Eckart Ulmann, lenkte ebenfalls als Bürgermeister von 1946 bis 1969 die Geschicke der Stadt Staufen. Ihm lag die Verbindung zu Savoyen sehr am Herzen. So kam er 1952 nach Annecy in Hoch-Savoyen und nahm die Gelegenheit wahr, die Heimat seiner Vorfahren zu erkunden. Bei seinem zweiten Besuch in Annecy 1957, bei einem deutsch-französischen Bürgermeistertreffen, lernte er durch Vermittlung von Professor Guichonnet, Museumsdirektor in Genf, den Bürgermeister von Bonneville kennen. Seit dem ersten Zusammentreffen arbeiteten sie gemeinsam auf eine Partnerschaft zwischen den Städten hin. Bis 1963 dauerten die Vorbereitungen und Überzeugung der Bevölkerung für die Gründung der Partnerschaft. Beim Annafest in Staufen am 28. Juli 1963 besiegelten die beiden Bürgermeister Fallion und Ulmann die Partnerschaftsurkunde zwischen Bonneville und Staufen.

Seit dieser Zeit wurde die Partnerschaft von den Bonnevillern Bürgermeistern Fallion, Servoz, Meylan, Saddier und Valli und den Staufener Bürgermeister Dr. Ulmann, Graf von Hohenthal und Benitz unterstützt und ausgebaut.

Im Jahr 2023 feiern wir die 60-jährige Freundschaft mit einer offiziellen Partnerschaftsfeier am 30. September und 1. Oktober 2023 in Staufen.

Wo liegt die Partnerstadt Bonneville?

Bonneville ist eine historische Stadt an der Arve, zwischen Genf und Chamonix, Thonon und Evian, umgeben von den ca. 2 000 Meter hohen Savoyer Bergen und gehört zum Faucigny. Sie erhielt ihren Namen „die gute Stadt“ im Jahr 1283 von der Prinzessin Beatrix de Faucigny. Die Stadt kam im 15. Jahrhundert zu Savoyen, 1536 zu Bern, 1564 wieder zu Savoyen und mit Savoyen 1860 zu Frankreich.

Der Rathausplatz von Bonneville

Bonneville liegt auf etwa 450 Meter Höhe in einer Schleife des Arve Flusses, der aus den Gletschern über Chamonix entspringt und bei Genf in die Rhône mündet. Von West nach Ost liegt die Stadt zwischen Genf (30 km) und Chamonix (60 km). Die großen Skigebiete sind von Bonneville schnell zu erreichen. Wenn man im Zentrum der Stadt, auf dem Rathausplatz, steht, sieht man nordwärts den ca. 1 869 Meter hohen, kegelförmigen Hausberg 'le Mole'. Er ist der meistbestiegene Berg der ganzen Gegend mit guter Sicht auf den Mont Blanc.

Das Klima ist vom Gebirge geprägt, mit schnell steigenden Temperaturen im Sommer und schnell sinkenden im Herbst. Im Winter gibt es in höheren Lagen sehr viel Schnee. An den sonnigen Hängen oberhalb von Bonneville wachsen Reben. Hier gedeiht der bekannte Ayze-Wein, der auch immer den Staufener Gästen serviert wird. Durch die günstige Lage von Bonneville im Arve-Tal wurde die Landwirtschaft, überwiegend Milch- und Käseproduktion, von der immer größer werdenden Industrialisierung und Aussiedelung von Großbetrieben mit Feinmechanik und Maschinenteilen für die Autoindustrie verdrängt. Aufgrund des immens gewachsenen Industriegebiets ist die Einwohnerzahl der Stadt von 4 000 (1963) auf heute über 13 000 gestiegen.

Sehenswert in Bonneville ist die Gedenksäule des Charles Félix, König von Sardinien (1821-1831), das Schloss der Béatrix de Faucigny, die Kirche Sainte Cathérine und die Altstadt mit dem Rathausplatz und dem Brunnen aus dem Jahr 1784. Er war lange Zeit einzige Trinkwasserquelle der Stadt. Der große dreieckige Rathausplatz existierte schon im Mittelalter. Nach einem Großbrand 1737 wurden die vom Feuer vernichteten Häuser rings um den Platz mit Quadersteinen wieder aufgebaut. 2012 bis 2013 wurde der Platz umgestaltet und mit neuen Platanen und mobilen Pflanzkübeln mit Magnolien eingeweiht. Das Schloss Château Béatrix de Favcigny wurde auf einem Felsenhügel durch Peter II. von Savoyen im 13. Jahrhunder erbaut. Zuvor gab es eine Burg aus Holz. Das Schloss von Bonneville ist das einzige Beispiel der Militärarchitektur des Mittelalters in Savoyen. Von den ehemals vier Ecktürmen stehen heute noch zwei. Nach umfangreichen Renovierungen in den letzten Jahren ist eine Besichtigung lohnend. Weitere Anziehungspunkte sind die Europabrücke (Arve-Brücke), die Stadthalle l´Agora, die Mediathek und das Wassersportzentrum Centre nautique Guy-Châtel.

Bonneville verfügt über Kindertagesstätten, Kindergärten, Grundschule, Collège Samivel, Gymnasium Guillaume Fichet und eine Hotelfachschule. Außerdem hat die Stadt ein Gericht und ist Bezirkshauptstadt.

Partnerschaft und Jugend

Ohne Jugend in unseren beiden Städten wäre unsere Partnerschaft nicht so erfolgreich geworden. Grundlage für den Erfolg war und ist der Schüleraustausch zwischen dem Faust-Gymnasium Staufen und dem Lycée Guillaume Fichet in Bonneville.

Bereits 1961 gelingt es dem Deutschlehrer am Bonneviller Gymnasium, Jean-Marie Genvo, zwei Schülerinnen nach Staufen zu schicken. Sie zelteten auf dem Campingplatz von Max Wiesler. 1962 konnte ein erster bescheidener Austausch zustande kommen. 1963 wurde die Partnerschaft zwischen den beiden Städten unterschrieben. Von nun an war es nicht mehr so schwierig einen Austausch zu organisieren, denn einige Familien hatten sich bei der Partnerschaftsfeier kennengelernt. Von Anfang an wurde der Schüleraustausch vom Direktor des Bonneviller Gymnasiums René Rosio (stammt aus Thann im Elsaß) und dem Direktor des damaligen Progymnasiums Staufen, Studiendirektor Dr. Heinrich Tutschku, gefördert. Die Familien Fritz Haaf und Pierre Audiene haben sich zu dieser Zeit stark engagiert.

In den vergangenen Jahren haben mehr als 1 000 Schülerinnen und Schüler am Austausch teilgenommen. Oft sind echte Freundschaften zwischen den Familien entstanden (z. B. Gudula Gysler-Lahn), die sich noch heute für die Partnerschaft engagieren. Die ehemalige Schülerin Géraldine Coffy ist heute Vorsitzende des Partnerschaftsausschusses Bonneville; auch Sophie Mieusset kommt seit vielen Jahren mit ihrem Mann auf den Staufener Weihnachtsmarkt, um Produkte aus Hochsavoyen anzubieten. Es wurden auch Ehen geschlossen (1974).

Die Harmonie Intercommunale de Bonneville-Ayze-Vougy spielt zusammen mit der Stadtmusik Staufen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums in Bonneville auf

Nicht nur die Schülerinnen und Schüler waren tragende Säulen der Partnerschaft. Auch die verbindung der Harmonie Intercommunale de Bonneville-Ayze-Vougy und der Stadtmusik Staufen besteht seit Beginn der Partnerschaft. Bei allen Feiern waren beide Kapellen aktiv dabei. Trotz der Sprachbarrieren war der Kontakt von Anfang an sehr herzlich. Neben den Hauptorchestern sind auch die Jugendkapellen immer mit einbezogen worden. Im Jahr 2023 feiert die Bonneviller Musik 200-jähriges und die Staufener Stadtmusik im Jahr 2024 ihr 300-jähriges Jubiläum.

Auch im Jubiläumsjahr 2023 ist die Jugend aktiv. Beim Neujahrsempfang in Bonneville am 13. Januar 2023 spielte die Gruppe ClarinetsforStaufen der Jugendmusikschule Südlicher Breisgau vor 800 Einwohnern in Bonneville. Am nächsten Tag folgte eine Probe mit Klarinettenspielern aus der Harmonie Intercommunale Bonneville-Ayze-Vougy. Auch hier wurden neue Kontakte geknüpft.

Es gilt zu hoffen, dass sich zukünftig noch viele junge Menschen für die Partnerschaft zwischen Bonneville uns Staufen engagieren